Warum sich die Beschäftigung mit Purpose für Unternehmen lohnen kann – aber nicht muss.
Oder: Von einem neuerdings erhobenen spöttischen Ton rund um Marketing und HR
Ja, es fällt in der Tat auf, wer in jüngster Zeit alles über Purpose spricht – und darüber, was Purpose tatsächlich bedeutet. Neben Agenturen und Unternehmen vor allem zahlreiche Beraterinnen, Kommentatorinnen und Autorinnen.
Worum geht es in der Purpose Economy eigentlich?
Einerseits sehen sich Unternehmen zunehmend genötigt, darzustellen, wofür sie und ihre Produkte oder Dienstleistungen eigentlich da sind. Das sollen sie ihren möglichen Kunden und ihren möglichen Mitarbeiterinnen jetzt mal bitte erklären. Die Ratio dahinter ist schnell zusammengefasst: in einer Welt mit überbordenden Möglichkeiten und Angeboten, die sich oft auch noch zum Verwechseln ähnlich sind, braucht es ein Differenzierungsmerkmal. Also einen Unterschied, der für die Zielgruppen relevant ist.
Für immer mehr Käufer ist es sinnvoller, von einem Unternehmen zu kaufen, dass nicht nur irgendwie Geld verdienen will, schlimmstenfalls sogar auf Kosten der Mitarbeiterinnen, Lieferantinnen, Partnerinnen, der Gemeinschaft oder der Umwelt. Dagegen kauft es sich von Unternehmen, welche Produkte und Dienstleistungen anbieten, die begeistern und unter fairen Bedingungen produziert werden, einfach besser.
Ähnliches gilt für immer mehr Mitarbeiterinnen, die lieber für ein faires Unternehmen arbeiten wollen, das bei Produkten und Dienstleistungen einem Zweck folgt, der über den bedingungslosen Ertrag hinausgeht.
Genau in diesem Sinne, also im Sinne eines vernünftigen, von vielen geteilten Zweck eines Unternehmens ist die sogenannte Purpose Economy tatsächlich wertvoll für Unternehmen und Mitarbeiterinnen, letztlich sogar für die Gesellschaft.
Warum Purpose nicht alle Probleme lösen kann
Weniger einleuchtend ist dagegen der Umkehrschluss, ein unfaires Unternehmen, ein schlechtes Produkt oder eine nutzlose Dienstleistung ließe sich durch einen aufgesetzten Zweck für Kunden oder Mitarbeiterinnen attraktiv machen. Auch wenn gerade nicht wenige etablierte Unternehmen sich genau an diesem Münchhausen-Trick versuchen. Es darf aber bezweifelt werden, ob ein solch plumpes Vorgehen auf Sicht als Differenzierungs- oder auch nur als Hygienemerkmal im Branding funktionieren kann. Wenn Menschen ernstlich wissen wollen, im Rahmen welcher erstrebenswerten Vorstellungen ein Unternehmen, Produkt oder eine Dienstleistung eigentlich agiert, wird es ohne Substanz in der Sache schwierig werden. Wer keinen vernünftigen Zweck hat, kann ihn mittelfristig auch nicht gewinnbringend kommunizieren. Letztlich schlägt hier der Unterscheid zwischen "einen Purpose haben" und "sich einen Purpose geben" zu. Das muss noch nicht alle Unternehmen erschrecken: In vielen Bereichen lässt sich einstweilen ohne solch gute Gründe noch auskömmlich verkaufen oder einstellen.
Ebenso wenig sinnvoll ist andererseits der Versuch, jedem Unternehmen der Purpose Economy zu unterstellen, es wolle mit seinen Produkten und Dienstleistungen ganz alleine die Welt retten. Das mag zwar in Einzelfällen tatsächlich auf der Agenda einer Unternehmerin stehen. Meist begnügen sie sich aber höchst pragmatisch damit, leidenschaftlich dazu beizutragen, die Welt zumindest nicht schlechter zu machen und damit anderen vielleicht sogar als Vorbild zu dienen. Nicht zuletzt den eigenen Mitarbeiterinnen.
Gekommen, um zu bleiben – Eine klare Empfehlung
Deshalb raten wir allen Unternehmen, die tatsächlich einen wertvollen Zweck jenseits abgedroschener Floskeln haben – das beginnt schon bei einer verantwortlichen Familientradition oder eine Leidenschaft für regionale Materialien – diesen in der Kommunikation charmant herauszustellen. Und allen Menschen, die eine gute Geschäftsidee mit einem ebensolchen Zweck haben, raten wir dringend zur Unternehmensgründung. Beides setzt Nutzen sofort für konkreten Impact ein: reflektierte Unternehmen, die wertvolle Produkte und Dienstleistungen anbieten, für die es sich lohnt, als Mitarbeiterin das Beste zu geben. Die Weltrettung können wir dann gerne gleich danach in Angriff nehmen.
Mythen des Marketing: In loser Folge beleuchtet GOT intermedia Begriffe, die in der Marketingwelt gerade diskutiert werden. Damit möchten wir Ihnen bei der Entscheidung helfen, ob Sie sich wirklich um das Buzzword kümmern müssen.